
Unser Mann in den Tropen
Schießerei unter
Berlins Antipoden
Lagepläne nach dem
Muster Saigons
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D.B. Blettenberg: Berlin Fidschitown
Raul Zelik: La Negra
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In den Tunneln unter Berlin
Deutschland ist groß und eng. Groß, viel zu
groß für die kriminelle Energie seiner Autoren: Kaum einer
verläßt dieses Land, um seine erfundenen Verbrechen anderswo
zu begehen. Deutschland reicht ihnen. Deshalb ist es so eng in Deutschland:
Kaum ein Provinzchen, in dem nicht schon ein Krimischreiber säße
und hinter die Stores starrrte. Nur einige wenige haben sich bisher überhaupt
ins Ausland gewagt, meist nur vorübergehend, auf Urlaub. Doris Gercke
schickte ihre Bella Block ein paar mal Richtung Spanien und Italien
(einmal auch auf Familien-Besuch nach Moskau), Irene Rodrian lässt
nach längerem Schweigen neuerdings ihre Detektivinnen vom Büro
Llimona 5 in Barcelona recherchieren.
Noch seltener ist der Blick zurück vom andern Kontinent. So selten,
dass er manchmal kaum wahrgenommen wird. So geschehen im Fall des grandiosen
Romans La Negra, den Raul Zelik im kolumbianischen Bürgerkrieg
um Drogen und Leben angesiedelt hat. Kaum jemand hat 2000 dieses großartige
Thrillerdebüt bemerkt.
Unser Mann in den Tropen
Ein anderer Autor hingegen gilt geradezu als unser Mann in den Tropen:
Detlef Blettenberg. Seit 1972 lebt und schreibt der gelernte Maschinenbauingenieur
from abroad. Das Werkverzeichnis gibt Auskunft über die Arbeitsstationen
des Entwicklungshelfers: Weint nicht um mich in Quito (1981), Siamesische
Hunde (1987), Null Uhr Managua (1997). Im Unterschied zu Zelik
bekam er auch immer, was er verdient hat. Drei Deutsche Krimipreise zieren
seine Stubenwand in Ghana, dazu ein Edgar-Wallace-Preis. Ob er allerdings
den Rote-Heidi-Award einheimsen wird, ist zu bezweifeln. Denn als Entwicklungshilfeliteratur
lassen sich seine Geschichten um den halb deutschen, halb thailändischen
Privatdetektiv und Problemlöser Susarak „Farang“ Meier
beim besten Willen nicht verstehen.
In Farang – so heißen, wie jeder Thailandbesucher weiß,
die hellhäutigen Franken (Europäer) im Jargon der Einheimischen
– erzählte Blettenberg 1988 die kurze Geschichte des Peter
Meier, Schlosser bei Bayer-Leverkusen, der im Badeort Pattaya rund 140
Kilometer südlich von Bangkok die anschmiegsame Da trifft. In einer
einsamen Strandbucht lernt er erst die sensuelle Weisheit des asiatischen
Lebens, dann eine Repetierflinte kennen. Ende Meier. Stille Buchten werden
in Thailand auch von Schmugglern genutzt. Nur wenige Stunden später
nimmt Halbbruder Susarak, genannt „Farang“, mit seinen Freunden,
dem Sensationsjournalisten Tony Rojana und dem Ex-GI Bobby Quinn blutige
Rache.
Schießerei unter Berlins Antipoden
Schon nach den ersten beiden Blettenberg-Krimis, die noch (1981 u. 1982)
in Ecuador spielen, urteilte Jochen Schmidt in seinem leider vergriffenen
Standardwerk Gangster, Opfer, Deteketive, Blettenberg sei „der einzige
deutsche Autor, der so intensive Auslandserfahrungen hat, dass er es sich
leisten kann, seine Romane im exotischen Ausland spielen zu lassen“
und konstatierte, dass es ihm – bei teilweise kruden erzählerischen
Schwächen – niemals an Authentizität des Schauplatzes
fehlt. Inzwischen, ein halbes Autorenleben und einige Kontinente weiter,
ist Blettenberg, der sich nun D. B. Blettenberg nennt, als erzählerischer
Profi zu seiner Figur Farang zurückgekehrt. Blettenberg beginnt zwar
seinen jüngst mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichneten Roman
Berlin Fidschitown mit einer Schießerei in Berlin. Aber es
ist eine Schießerei unter Berlins exotischen Antipoden. Während
oben die Geldtransporter mit neuen Euros herumfahren, kämpfen in
der Unterwelt verlassener Nazibunker und stillgelegter U-Bahnschächte
Chinesen, Süd- und Nordvietnamesen um die Macht über Mädchenhandel,
Juwelen- und Zigarettenschmuggel.
Lagepläne nach dem Muster Saigons
Susarak Farang Meier ist aus dem feuchtheißen Bangkok ins winterkalte
„sibirische“ Berlin gekommen, um von einem ehemals in Thailand
agierenden deutschen Pornofürsten Schulden einzutreiben. Doch wie
schon im Vorlaufer Farang verwickeln sich Job und Privates zu einer wüsten
Gemengelage, in der nur drei Dinge zählen: die Freundschaft, der
asiatische Ehrenkodex und die Automatik. Außen vor: eine deutsche
Kriminalbeamtin, spezialisiert auf Verbrechen von Schlitzaugen. Asiatische
Kriege können nur von Asiaten geführt werden, und das sind auch
die drei Freunde Farang, Quinn und Rojana. Ein Stoff für John Woo:
Tunnelkämpfe unter einem Berlin, in dem die Orientierungspunkte den
Stadtplänen Saigons und Hanois entnommen sind sind, schrille Charaktere,
Waffen, Sex. Blettenberg schreibt wie eine Uzi, auf Einzelfeuer gestellt:
mit kurzen trockenen Einschlägen. Unverblümt exotisch. Nur seine
Helden sind deutsch, Vorbild Karl May.
Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung in DIE
ZEIT Nr. 5 vom 22.1.2004
Siehe auch: Tobias
Gohlis über D.B. Blettenberg: Siamesische Hunde

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