Eine
Studie in Mormonenkritik
Die
mörderische Art
Gekaufte Gemeinde
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Arthur Conan Doyle: Studie in Scharlachrot;
Aus dem Englischen von Gisbert Haefs
John Connolly: In tiefer Finsternis;
Aus dem Englischen von Georg Schmidt
Charles Willeford: Die schwarze Messe;
aus dem Amerikanischen von Ango Laina und Angelika Müller
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Gott sei bei uns!
Am Anfang standen Independenten und Pilgerväter. Auf
der der Suche nach Freiheit und religiöser Selbstbestimmung flüchteten
sie aus dem Hoheitsbereich der anglikanischen Kirche nach Holland und
fanden sie schließlich in der Neuen Welt. Doch revolutionäre
Bewegungen pervertieren, das scheint ihr inneres Gesetz zu sein. Und Perversionen
gehören zu jenen Elixieren des Teufels, von denen der Kriminalroman
zehrt. So wie Satiren Gegenstücke zur Idylle bilden, um den Verlust
des Ideals zu verzeichnen, durchzieht die Geschichte der Kriminalliteratur
ein roter Faden aufklärerischer Kirchen- und Sektenkritik: schwarze
Protestnoten gegen staatstragende Sonntagspredigten.
Eine Studie in Mormonenkritik
Die Entwicklung in Gottes eigenem Land hat die Spötter und Satiriker
immer schon herausgefordert. So zog bereits Arthur Conan Doyle im ersten
seiner Sherlock-Holmes-Romane, der Studie in Scharlachrot, mächtig
gegen das Sektenwesen der Mormonen vom Leder. Doyle unterbricht, anscheinend
unmotiviert, auf dem höchsten Punkt der Spannung, den Erzählfluß
für mehrere Kapitel. Eben noch hat Holmes verkündet, er werde
alle Schlüsse nachtragen, die ihm die höchst überraschende
Entlarvung eines Droschkenkutschers als Mörder zweier amerikanischer
Pensionsgäste erlaubten, da sehen wir uns in eine romantische Erzählung
aus dem Wilden Westen versetzt. Darin entreißen zwei Mormonensprösslinge
eine unschuldige junge Frau ihrem Verlobten und dem sie beschützenden
Vater, um sie getreu dem „dreizehnten Gebot des Heiligen Joseph
Smith“ ihrem Harem einzuverleiben – und legen damit den Grund
für ihre Ermordung viele Jahre später.
Gedeckt werden die Missetäter durch das Terrorregime, das Mormonenführer
Brigham Young in Utah errichtet hat. Eine Geheimorganisation innerhalb
der Kirche straft im Namen der Religion. „Ihre Unsichtbarkeit und
die damit verbundenen Geheimnisse machten diese Organisation doppelt furchtbar.
Sie schien allwissend und allmächtig, und doch war sie weder zu sehen
noch zu hören. … Einem voreiligen Wort oder einer überhasteten
Tat folgte die Vernichtung, und dennoch wusste niemals jemand über
das Wesen dieser schrecklichen Macht, die über ihnen hing,“
analysierte Arthur Conan Doyle 1887 die Macht der Sekte. „Jene,
die Verfolgung erlitten hatten, waren nun selbst zu Verfolgern geworden,
und zwar zu Verfolgern der schlimmsten Art.“
Die mörderische Art
Gut hundertzehn Jahre nach dem Schotten hat der aus Irland stammende John
Connolly den Faden wieder aufgegriffen. In tiefer Finsternis lautet
raunend der deutsche Titel, doppeldeutiger, aber nicht weniger ontologisch
der englische: The Killing Kind. Connolly, von der amerikanischen
Kritik als Schüler Stephen Kings gefeiert, strapaziert das Horror-Arsenal
bis zur Ekelgrenze. Abtreibungsärzte, Schwule, jeder mögliche
Kandidat auf der Abschussliste des religiösen Fundamentalismus werden
Opfer eines unverwundbaren Todesengels, der es genießt, seine Opfer
mit exotischen Giftspinnen zu töten. Diese „mörderische
Art“ ist ein Erkennungszeichen des Bösen. Connollys Serienheld,
Privatdetektiv Charlie Parker findet es auf den Spuren einer jener winzigen,
ultraorthodoxen Privatkirchen, die in den sechziger Jahren als Gruppe
„gottesfürchtiger Menschen“ unterschätzt wurde,
„die nach einem schlichten Leben trachteten.“
Connolly beschwört die Dämonen sektiererischer Selbstgerechtigkeit
in diesem, trotz manchmal überbordenden Gemurmels über Tiefe
und Dunkel mitreißend geschriebenen Thriller
mit den schwarzromantischen Mitteln des Horrors: Spinnen, Blutbäder,
zerstückelte Leichen.
Gekaufte Gemeinde
Eine weniger teufliche Gestalt hat der kirchliche Gott-sei-bei-uns in
Charles Willeford bereits 1958 veröffentlichter, aber erst jetzt
ins Deutsche übertragenen Satire Die schwarze Messe. Als Buchhalter
und Besitzer eines Reihenhauses samt grüner Witwe hat Sam Springer
gelernt, dass „Geld die Wurzel alles Guten“ ist, vor allem,
wenn man es selber besitzt. Weshalb er, durch die Publikation eines Romänchens
flügge geworden, einem abgehalfterten Abt vom Erlös seiner Prosa
eine verwaiste Gemeinde in Jax/ Florida abkauft. Hier, als Hirte der biederen
schwarzen, von Rassisten gedemütigten „Kirche der Herde Gottes“
erfährt und genießt er die unbeschränkte „Macht
eines Mannes im Kollarhemd“. Als Buchhalter und Literat hat er die
Grundlagen der Manipulation erlernt, jetzt agiert er als Meister der Lüge
und führt, um der lieben Wurzel willen gezwungen, Gutes zu tun, sogar
einen Busboykott an. Unter den drei Teufeln ist Willefords der übelste:
Er tarnt sich als handlungsreisender Amerikaner.
Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung in DIE ZEIT Nr.
2 vom 5.1.2006
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