Tobias Gohlis über Petros Markaris: Wiederholungstäter




Exportkaufmann für Zement

Istanbul – Wien - Athen

Wir haben gelacht

Kleinbürger

Petros Markaris: Wiederholungstäter -
Ein Leben zwischen Athen, Wien und Istanbul

Aus dem Griechischen
von Michaela Prinzinger


 

 

Petros Markaris ist der wichtigste Krimiautor Griechenlands.
In dem autobiografischen Essay „Wiederholungstäter“ gibt er Auskunft über seinen Werdegang und seine Sicht der Welt

„Alles wandelt sich. Neu beginnen kannst Du mit dem letzten Atemzug.“ Bevor Petros Markaris mit seinen Romanen um Kommissar Kostas Charitos zum galligen Chronisten griechischen Alltags wurde, hat er Brecht übersetzt und dabei diese Gedichtzeile entdeckt – als Motto für sein Leben. „In meinem Leben habe ich stets das getan, was ich nicht tun wollte“, konstatiert er, und fährt fort, dass ihm im Unterschied zu den vielen, denen das genauso geht, die „Dinge besser gelungen sind, die ich nicht tun wollte“.

Exportkaufmann für Zement
Das trifft auf seine Krimis zu. Ob und wie das auch über seine Tätigkeit als Exportkaufmann für die griechische Zementfabrik Titan gesagt werden kann, für die er in den sechziger und siebziger Jahren Libyen, Syrien, Ägypten, Tunesien, Algerien, Saudiarabien und Kuwait bereist hat, würde man gerne wissen. Leider berichtet er aus dieser Periode nur, dass er in Libyen auf den Fiat Mirafiori 131 gestoßen ist, jenes sagenumwobene Klappergefährt, mit dem sein Kommissar Charitos sich durch den Athener Stau quält. Diesen Erfahrungen als Geschäftsmann verdankt er gewiss auch den Durchblick, mit dem er die Schwindelunternehmen, Betrügereien und Wirtschaftsverbrechen in seinen Krimis darstellt.

Istanbul – Wien - Athen
„Ein Leben zwischen Istanbul, Wien und Athen“ ist dieser mit 190 kleinformatigen Seiten für Markarisverhältnisse recht schmale Esssayband untertitelt. Doch über sein vermutlich ungemein spannendes Leben und über die zahlreichen Begegnungen, die dieser Kosmopolit in bald 72 Lebensjahren gehabt hat, schreibt er enttäuschend wenig. Er hat seine Darstellung ganz auf die Prägung zum Schriftsteller konzentriert.
Doch das, was er darüber berichtet, ist die Lektüre allemal wert. So gibt er knappen Einblick in die Jugend in Istanbul, in das zurückgezogene Leben einer griechischen Familie auf einer der Prinzeninseln im Bosporus, erzählt von Düften und Sprachen, die auf ihn eindrangen. Markaris muss ein Sprachtalent sein, er lernte Türkisch in der Grundschule und auf der Straße, Griechisch war die Sprache in der Familie, und sein Deutsch erwarb er in einem österreichischen Gymnasium, weil sein Vater von der fixen Idee besessen war, Deutsch werde – trotz Weltkrieg II – die Weltverkehrssprache der Zukunft sein.

Wir haben gelacht
Diese väterliche Entscheidung öffnete dem Urenkel eines steinreichen armenischen Millionärs und Beraters des türkischen Sultans Abdul Hamid II. den deutschen Kulturraum, zu dem er sich bis heute zählt - obwohl er auf Griechisch träumt. Auf Griechisch zu schreiben - Theaterstücke – das war auch die Intention, die den Ex-Volkswirtschaftsstudenten und Wiener Bohemien (über diese Lebensperiode erfahren wir leider gar nichts) 1965, mit 28 Jahren, nach Athen brachte. Dieser staatenlose Armenier, der nur ein Wort Armenisch kann, nämlich seinen eigenen Namen (auf der ersten Silbe betont: Márkaris) brachte eines der erfolgreichsten und populärsten Theaterstücke heraus, die während der Herrschaft der griechischen Miltärjunta gezeigt wurden. Die Zensur ließ es durchgehen, weil es in der Türkei spielte, und konnte es später, als sein Inhalt populär wurde, nicht mehr verbieten. Kein Wunder, dass Markaris die Frage einer Journalistin, was sie während der Diktatur gemacht hätten, so beantwortet: „Wir haben gelacht.“

Kleinbürger
Für Krimileser sind natürlich die Passagen die interessantesten, in denen Markaris seine Krimis reflektiert, die er übrigens, nach einer Fernsehserie mit Krimiinhalt, erst mit 58 zu schreiben anfing. Ausführlich setzt er sich darin mit den politisch höchst korrekten Leservorwürfen auseinander, sein Kommissar sei das Inbild eines Macho. Er entgegnet, dass er seine griechische Kleinbürgerfamilie eben der sozialen Realität und nicht den emanzipatorischen Identifikationswünschen seiner Leser entsprechend gestaltet hat. Bemerkenswert finde ich den Hinweis, der Macho mittelmeerischen Typs habe sich erst unter den Diktaturen entwickelt, unter denen fast alle Mittelmeerländer zu leiden hatten. Vehement plädiert Markaris für die Stadt als Hauptdarsteller des zeitgenössischen Kriminalromans. „Da die meisten Griechen das Genre Kriminalroman immer noch mit Agatha Christie gleichsetzen, das heißt mit dem Lösen eines Rätsels, das ihr Leserinteresse wachhält, fällt es ihnen nicht leicht zu begreifen, dass der heutige Kriminalroman eher ein Gesellschaftsroman mit Krimihandlung denn ein Krimi im herkömmlichen Sinne ist.“ Diesen Satz sollte man nicht nur den Griechen, sondern auch all jenen deutschen Kritikern um die Ohren hauen, die meinen, von Genreregeln schwafeln zu müssen, die der eine oder andere übertreten habe. Meist bezieht der sich dann auf den Rätselkrimi. Markaris erweist sich als angenehmer und intelligenter Erzähler, man liest das Buch gerne. Nur mehr Leben wäre halt schön gewesen.

Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung ARTE 10.12.2008

Siehe auch: Tobias Gohlis über Petros Markaris: Faule Kredite

Siehe auch: Tobias Gohlis über Petros Markaris: Nachtfalter