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____ Heinrich Steinfest: Der Umfang der Hölle |
Selbstbewusst tritt er neuerdings auf, Steinfest sozusagen. Er pfeift - ja doch, das kann man ihm zutrauen, dass er hin und wieder dieses ordinäre Lippengeräusch von sich gibt - auf die geheuchelte Bescheidenheit, die unter seinen Kollegen grassiert. Die wollen, fragt man sie nach Programmatischem, meist Nichts. Bestenfalls: ein bisschen Unterhalten. Aber nicht Aufstörendes, keinen Schmerz, keine Politik und erst recht keine Ästhetik. Bloß nicht anecken. Gegen dieses Post-Biedermeier stellt sich Steinfest. Als Dandy. Sieben Romane mussten, recht verstreut auf diverse Verlage, erscheinen, bis er in seinem achten endlich auspackt: "Es gibt ja genug Leute, die Bücher für etwas Gefährliches halten und dringend davon abraten. Nicht wegen politischer Verführung, daran glaubt schon lange niemand mehr. Nein, wegen der Verführung hin zu irgendwelchen Unarten, Phobien, Verhaltensweisen, Eigentümlichkeiten, Verführung zum Snobismus." Danke, Heinrich. Das sind Sätze, wie man sie erwartet in einem Buch, das Der Umfang der Hölle heißt. Satanisch. Satanischer Verführer Der Reihe nach. Wir haben da Leo Reisiger, einen "zweiundfünfzigjährigen Mann, der begonnen hatte, schon ein wenig zu schrumpfen." Reisiger hat halb Mathematik, halb Kunstgeschichte (Spezialgebiet Rubens, den er seitdem hasst) studiert und ist Werbeleiter eines Stuttgarter Hochpreis-Hifi-Geräteherstellers. Reisiger hat zwei geheime Leidenschaften: das Zahlenlotto und der Mond. Metaphysische Slow Motion Ein diffuses Schuldgefühl, ein kaum wahrnehmbarer Hauch von Leidenslust beim Opfer und der richtige Köder, mehr braucht es nicht für eine gelungene Verführung. Und keiner versteht mehr von Verführung als Siem Bobeck, Verhaltensforscher, Molekularbiologe, Modezar. Es war seine Frau, die Schlagersängerin Claire Rubin, die Reisiger beschützt hatte - und jetzt möchte Bobeck sich revanchieren, indem er den Retter dorthin einlädt, wo nicht einmal der Papst ungeladen Zutritt hat, auf sein Schloss in Purbach. Obwohl dieser Ort auf keiner Karte zu finden ist und er auch eigentlich keine Lust hat, folgt Reisiger der Einladung. Denn auf dem Mond, seiner Leidenschaft Zwei, gibt es eine Wallebene gleichen Namens. Nicht-Thriller Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung in DIE ZEIT Nr. 29 vom 14.7.2005 Siehe auch: Tobias Gohlis über Heinrich Steinfest: Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte Siehe auch: Tobias
Gohlis über Heinrich Steinfest: Mariaschwarz |
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