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____ Jasper Fforde: Der Fall Jane Eyre; aus dem Englischen von Lorenz Stern |
Thursday im Leseland Nicht das Mögliche, sondern das Unmögliche, nicht die Entschlüsselung des Wahrscheinlichen, sondern das Aufdecken des Unwahrscheinlichen hat englische Detektive groß gemacht. Sherlock Holmes: „Wenn man alles ausgeschaltet hat, was unmöglich ist, bleibt am Ende etwas übrig, das die Wahrheit enthalten muss, mag es auch noch so unwahrscheinlich sein.“ Mit der rationalistischen Weigerung, seine Phantasie etwas anderem anzupassen als den Tatsachen, hat Holmes Rätsel wie das des Hundes von Baskerville gelöst: der Schrecken von Devonshire war ein mit Phosphorsalbe präparierter Mischling aus Dogge und Bluthund. Es sind die Bösewichter, die innovativ immer voll auf Draht sind. Je größer die Erkenntnisse, desto schneller wächst das Chaos, das schon die mittelalterliche Philosophie als wahres Ziel des Bösen ausgemacht hat. Lange hinkten die Holmes' und Wimseys dem technischen Fortschritt hinterher. Detektion im Unmöglichen Thursday Next Thursdays von Jasper Fforde erfundenes Operationsgebiet ist eine krude Mischung von alt und neu. Der Krimkrieg, der nach unseren Geschichtsbüchern 1856 mit einer Niederlage Russlands endete, währt schon 131 Jahre. Immer noch hofft die Kriegsfraktion, mit Zeppelinen von Kreishauptstadt zu Kreishauptstadt schwebend, auf den endgültigen Sieg der britannischen Waffen. Um diesen dreht sich auch Der Fall Jane Eyre.Goliath, das alles auf der Insel beherrschende Riesen-Unternehmen, hat ein Super-Duper-Plasmagewehr erfunden, mit dem der Krieg in wenigen Tagen entschieden sein könnte. In den Propagandafilmen des einzigen Nachrichtensenders, der natürlich ebenfalls Goliath gehört, funktionieren die Dinger prächtig. Doch in der Wirklichkeit haben sie einen Konstruktionsmangel, der nur mit Mitteln der alten Kunst des Lesens, kombiniert mit avancierter Technik weit jenseits des Quantenhorizonts behoben werden kann. Wie das genau funktioniert, darf hier nicht verraten werden. Nur so viel: England ist Leseland. So sehr, dass praktisch jeder Bürger in einem literarischen Verein organisiert ist und die Regierung gezwungen, Regeln für die Namensgebung der Neugeborenen aufzustellen. Bücher als Kapital Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung in DIE ZEIT Nr. 7/2004 vom 5.2.2004
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