Tobias Gohlis über Val McDermid: Die Erfinder des Todes



Ein Ort für die Ewigkeit

Der Zunft ein paar Hiebe

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Val McDermid: Die Erfinder des Todes
Aus dem Englischen von Doris Styron

 

 

 

 

Brutalst gejagt: Krimiautoren

Mit ihren Romanen um die Ermittlerinnen Kate Brannigan und Lindsay Gordon hat sich Val McDermid längst den Titel einer Queen of Crime erworben. Die Königinnen sind tot oder kurz vor dem Ruhestand, es lebe die Königin. Die Vorgängerinnen Agatha Christie, Dorothy Sayers oder Ruth Rendell alias Barbara Vine müssen sich ihrer jüngeren Nachfolgerin nicht schämen. Während die Serientitel mit ihren beiden Heldinnen (die eine hetero, die andere lesbisch) im Argument-Verlag erscheinen, der dieses Schema der Geschlechtsorientierung zu einem der Editionsprinzipien seiner Frauenbuchreihe ariadne-krimi erklärt hat, kommen McDermids für ein breiteres, nicht so stark an der Genderproblematik interessiertes Publikum auf deutsch bei Droemer heraus.

Ein Ort für die Ewigkeit
Vor einem Jahr legte sie dort mit Ein Ort für die Ewigkeit ein Buch vor, das in vieler Hinsicht die Grenzen des Genres sprengte. Mit der Entwicklung des Falls - ein junges Mädchen ist verschwunden - verknüpft sie die bedrückend eindringliche Schilderung eines Dorfes, das noch Mitte der sechziger Jahre in einer Art Leibeigenschaft existiert und sich entsprechend mit mittelalterlichen Methoden gegen die Obrigkeit zur Wehr setzt. Die einfühlsame Gestaltung des inneren Zwiespalts des ermittelnden Kommissars, der hin- und hergerissen ist zwischen Ehrgeiz und Wahrhaftigkeit, Vergeltungslust und Gerechtigkeitsbewusstsein, machte Ein Ort für die Ewigkeit zu einem der herausragenden psychologischen Kriminalromane des letzten Jahrzehnts.

Der Zunft ein paar Hiebe
Auf diese Meisterleistung schwerer Seelenarbeit lässt McDermid mit Die Erfinder des Todes eine Etüde folgen, die sich mit spielerischer Heiterkeit zwei Lüsten der Krimibranche widmet: dem Serienkiller und der Sucht, mit Feder und PC so ausgefallen wie möglich zu morden. Wo Serienkiller auftauchen, sind die Profiler nicht weit. Doch McDermid wäre nicht die Könnerin, die sie selbst in ihren schwächeren Büchern ist, gelänge es ihr nicht, ihrer Psychologin Fiona Cameron ein paar Eigenheiten in Charakter und Methode zu verpassen, die sie aus der verwechselbaren Schar ihrer Mainstream- Schwestern herausragen lässt. Und der Fall selbst bietet alle Möglichkeiten, der Zunft ein par ironische Hiebe zu versetzen. Denn der Killer, der die Crème der britischen Kriminalautoren auszurotten droht, bevor die routinebefangenen Polizeibürokraten überhaupt seine Existenz geschnallt haben, folgt bei der Fesselung, Ausweidung und Zerstückelung seiner Opfer den Modellen, die die Autoren selbst in aller denkbaren Blutrünstigkeit entworfen haben.
Weh dem, der schreibt! Der mörderische Neid des Underdogs trifft auch Kit Martin, Fionas Lebensgefährten und Thrillerautor Nr. 1. Doch da gerät Meisterin Val zuviel Klischee in den Plot. Nicht nur, dass Fiona, traumatisiert vom Tod ihrer Schwester, den sie nicht verhindern konnte, aus Starrsinn zur Außenseiterin und Einzelgängerin unter den Kriminalisten wird, nein, zum Schluss muss sie auch noch fast ganz allein auf sich gestellt ihren Kit aus den Klauen des Monsters befreien. Zu viele Motive verderben auch den besten Brei.

Unredigiertes Manuskript, erschienen inDIE ZEIT Literaturbeilage Oktober 2001